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Veranstaltungen

Internationale Wissenschaftliche Konferenz 2012

 

„Vom Umgang mit Telemanns Werken einst und jetzt. Telemannrezeption in drei Jahrhunderten“  lautet der Titel der Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz, die das Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg und die Abt. Musikwissenschaft des Instituts für Musik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gemeinsam mit der Telemann-Gesellschaft e.V. (Internationale Vereinigung) anlässlich der 21. Magdeburger Telemann-Festtage am 15. und 16. März 2012 in Magdeburg veranstalten werden.

Georg Philipp Telemann gehört zu jenen Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts, die ihr Wirkungsumfeld intensiv und auf vielfältige Weise prägten: Als Komponist, Musikdirektor, Verleger, Konzertveranstalter, Gelehrter und Mentor nahm er umfassend Einfluss auf das geistig-kulturelle Leben seiner Zeit. Seine Kompositionen galten als modern, wirkten stilbildend und fanden weite Verbreitung. Dem Schrifttum des 18. Jahrhunderts ist ihnen gegenüber eine hohe Wertschätzung zu entnehmen, manchen wurde Mustercharakter beigemessen, von einigen ist auch die Wirkung überliefert.

Der intensiven Auseinandersetzung mit dem Oeuvre Telemanns folgte nach dem Tod des Komponisten eine Zeit, in der dessen Werk weitgehend in Vergessenheit geriet. Erst 1907 gab Max Schneider mit dem Vorwort zu seiner Ausgabe von „Der Tag des Gerichts“ und „Ino“ in den Denkmälern Deutscher Tonkunst den Impuls für eine moderne Telemannforschung. Das Telemann-Bild hat seither beständig an Tiefenschärfe gewonnen. Die Verbindung von internationalem Wissenschaftsdiskurs, globaler musikpraktischer Auseinandersetzung mit Telemanns Werken und ständiger Erweiterung des Rezipientenkreises kennzeichnet dabei die Integration seiner Kompositionen in das aktuelle Musikleben.

Seit fünfzig Jahren gehen auch von Telemanns Geburtsstadt kontinuierlich „Beiträge zu einem Telemann-Bild“ aus, um das Thema der ersten wissenschaftlichen Konferenz von 1962 aufzugreifen. Ein halbes Jahrhundert später will die Konferenz in Magdeburg den Umgang mit Telemanns Kompositionen zu dessen Lebzeiten betrachten, Antworten auf Fragen suchen, die im Zusammenhang mit einer nachlassenden Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit Telemanns Werk im 19. Jahrhundert stehen und Grundlinien der Telemannrezeption im 20. Jahrhundert analysieren.

KONFERENZBERICHT Titel, Inhalt, Vorwort (download)

Ablauf

[Download des Ablaufs]

Leitung
Dr. Carsten Lange (Magdeburg)
Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale)
Prof. András Székely (Budapest)

Veranstalter
Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg,
Institut für Musik (Abteilung Musikwissenschaft) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
in Zusammenarbeit mit der Telemann-Gesellschaft e.V. (Internationale Vereinigung) 

DONNERSTAG, 15. März 2012, 9.00 Uhr bis 17.45 Uhr
Roncalli-Haus, Magdeburg (Max-Josef-Metzger-Str. 12/13)

9.00 Uhr
Grußwort
Dr. Rüdiger Koch
Bürgermeister und Beigeordneter für Kultur, Schule und Sport der Landeshauptstadt Magdeburg

Begrüßung
im Namen der Veranstalter und Tagungsleitung
Dr. Carsten Lange
Wiss. Leiter des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg


Referate

Rashid-S. Pegah (Würzburg)
Zur Telemann-Rezeption der Gebrüder Uffenbach 

Bernd Koska (Leipzig)
Telemann-Rezeption in Schleiz

10.30-10.50    PAUSE

Peter Huth (Berlin)
Vokal – instrumental – egal? oder: Christoph Graupner bearbeitet Telemann

Prof. Dr. Walter Kreyszig (Sakatoon, Kanada / Wien, Österreich)
Zur Beziehung zwischen „compositio“ und „diminutio“ im Kontext der Telemannrezeption. Telemanns „Methodische Sonaten“ (Hamburg, 1728, 1732) als Vorbild für Quantz’ „Versuch“ (Berlin, 1752)

Kota Sato (Tokyo, Japan)
Telemanns Notenstich und die Chronologie seiner Werke

12.35-14.30    PAUSE

Prof. Dr. Klaus-Peter Koch (Bergisch Gladbach)
Zur Rezeption von Telemann-Vokalwerken nach 1767 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Fakten, Indizien, Hintergründe

Prof. Dr. Steven Zohn (Philadelphia, USA)
'… of His Works, Nothing is Remembered': Toward a Reception History of Telemann in England and the United States, 1740–1940

15.40-16.00    PAUSE

Dr. Wolf Hobohm (Magdeburg / Weimar)
Georg Philipp Telemann in der Sicht August Gottfried Ritters

Dr. Christine Klein (Halle/Saale)
Zwischen „konventionellem Phrasenwerk“ und „unerschöpflicher Phantasie“. Telemanns Konzerte im Urteil Arnold Scherings

Ende des ersten Konferenztages gegen 17.45 Uhr

*

FREITAG, 16. MÄRZ 2012, 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr
Hotel Ratswaage, Magdeburg (Ratswaageplatz 1-4)

Dr. Peter Schmitz (Münster)
Planmäßige Auswahl und Nationalangelegenheit? Bemerkungen zu den Telemann-Editionen im Rahmen der „Denkmäler Deutscher Tonkunst“

Brit Reipsch (Magdeburg)
„Jubelnd und singend wir schreiten“. Telemanns „Tageszeiten“ im Kontext von sozialdemokratischer Arbeiterbewegung und volkstümlichem Konzert

Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale)
Die erste Wiederaufführung von Telemanns Johannespassion 1741/49

10.45-11.05    PAUSE

Ralph-Jürgen Reipsch (Magdeburg)
Magdeburger Telemann-Pflege zwischen 1930 und 1945

Dr. Carsten Lange (Magdeburg)
„Der geduldige Socrates“ - eine Telemann-Oper auf dem Weg zum Repertoirestück

12.15-14.30    PAUSE

Prof. Hans-Martin Linde (Basel, Schweiz)
Die Cappella Coloniensis und Telemanns Orchestersuiten

Dr. Franc Križnar (Maribor, Slovenien)
Repertoire and Reception of Music by Georg Philipp Telemann in Slovenia

15.40-16.00    PAUSE

Sjur Haga Bringeland (Bergen, Norwegen / Leipzig)
Telemann-Rezeption in Norwegen

Dr. Axel Berndt (Magdeburg)
Generative Musik als Werkzeug in der Musikwissenschaft

Schlusswort

Ende der Konferenz gegen 17.30 Uhr

 

Abstracts

[Download der Abstracts]

Rashid-S. Pegah (Würzburg)
Zur Telemann-Rezeption der Gebrüder Uffenbach

Während seines Studien-Aufenthaltes in Straßburg kam Johann Friedrich Armand von Uffenbach sehr bald mit dem örtlichen Collegium musicum in Kontakt. Neben Werken von Johann Christoph Pepusch und Antonio Vivaldi konnte er dieser Musiziervereinigung auch Kompositionen von Georg Philipp Telemann zur Verfügung stellen. Diese werden eine reizvolle Bereicherung des Repertoires geboten haben, zumal von Uffenbach bei diversen Konzerten auch in anderen Privathaushalten in Straßburg vornehmlich Auszüge aus französischen (und italienischen) Opern zu hören bekam.

Dass Telemann und seine Musik wichtige Konstituenten der privaten Musikpflege der Gebrüder Uffenbach in Frankfurt am Main waren, ist in der Telemann-Forschung seit langer Zeit Konsens. Historische, eindeutige Belege dafür sind allerdings rar. Umso mehr darf die Auffindung eines bislang unbeachteten Briefes von Zacharias Conrad von Uffenbach begrüßt werden, in welchem er sich über das gemeinsame Musizieren mit seinen Brüdern und den „Archi-phonascus noster Teleman“ äußert.

 

Bernd Koska (Leipzig)
Telemann-Rezeption in Schleiz

Die umfangreiche zeitgenössische Rezeption von Werken Telemanns in mitteldeutschen Städten im Allgemeinen ist für Schleiz im Speziellen an drei Punkten greifbar: Erstens der Heinrich XI. Reuß-Schleiz gewidmeten Sei Suonatine von 1718, zweitens der Aufführung eines Jahrgangs Kirchenmusik 1723/24 durch den Stadtkantor Johann Sebastian Koch, und drittens an der Aufführung einer Passionsmusik 1732 durch denselben. Bei der Einordnung dieser Werke in ihren Aufführungskontext spielt die Figur Heinrichs XI., der offenbar an den musikalischen Entwicklungen seiner Zeit in hohem Maße interessiert war, eine zentrale Rolle. Daneben müssen der Kantor Koch und die ihn umgebenden Rahmenbedingungen musikalischer Produktion in den Blick genommen werden. Dabei wird auch sichtbar, dass Telemanns Werke in Schleiz nicht nur rezipiert wurden, sondern dass in umgekehrter Weise auch von Schleiz ausgehende Einflüsse in das Schaffen des Komponisten Eingang gefunden haben.

 

Peter Huth (Berlin)
Vokal – instrumental – egal? oder: Christoph Graupner bearbeitet Telemann

 Die Darmstädter Hofkapelle unter Christoph Graupner (1683–1760) war eines der leistungs­fähigsten Orchester im südwestdeutschen Raum. Mehrfach versicherte sich Georg Philipp Telemann ihrer Mitwirkung bei musikalischen Vorhaben im benachbarten Frankfurt am Main. Andererseits sorgte Kapellmeister Graupner dafür, dass er zu den höfischen Konzerten für die Familie seines Dienstherrn, Landgraf Ernst Ludwig (1678–1739), stets „neue“ Instru­men­talmusik von Telemann auf Lager hatte. Dass er zu diesem Zweck gelegentlich auch unkon­ventionelle Pfade beschritt, zeigt die in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek aufbewahrte Handschrift Mus. ms. [Telemann] 1034/70, in der er ein noch nicht identifiziertes Vokalwerk in ein Orchesterwerk nach Art einer Ouvertürensuite mit konzertierenden Instru­menten überführte.

 

Prof. Dr. Walter Kreyszig (Saskatoon, Kanada / Wien, Österreich)
Zur Beziehung zwischen „compositio“ und „diminutio“ im Kontext der Telemannrezeption.
Telemanns „Methodische Sonaten“ (Hamburg, 1728, 1732) als Vorbild für Quantz’ „Versuch“ (Berlin, 1752)?

In der Vorbildwirkung Telemanns für Quantz, die bereits durch Quantz’ ausführliche Würdigung von Telemanns Instrumentalwerken in seinen Solfeggi (vgl. Trios alla francese di Telemann), in seinem 1752 in Berlin publizierten Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen (vgl. Sechs Duette für 2 Flöten ohne Generalbass, ca. 1740; Quadri, Hamburg, 1730; Nouveaux quatuors en six suites, Paris, 1738) und in seinem Schreiben an Telemann vom 11. Januar 1753 (mit Verweis auf die Quartette) bestätigt wird, war der Einfluss Telemanns auf Quantz vermutlich nachhaltiger als bisher in der Sekundärliteratur nachgewiesen werden konnte. Denn das im Versuch mit eingeschlossene Adagio in C-Dur für Flöte und Basso continuo mit den ausnotierten Verzierungen, das als krönender Abschluss der ausführlichen Besprechung von Verzierungen und der damit verbundenen Aufführungspraxis dient, geht vermutlich auf Telemanns Instrumentalwerke zurück, wobei die Gegenüberstellung einer komponierten Solostimme und einer mit ausgedehnten Verzierungen versehenen Fassung derselben im Versuch auf die Six sonate metodiche (Hamburg, 1728) und auf die Continuation des sonates méthodiques (Hamburg, 1732) verweist. Im Aufgreifen dieser pädagogischen Idee und ihrer Umsetzung, übrigens eng an das Vorbild Telemanns knüpfend, wie dies im Referat veranschaulicht wird, liefert Quantz für die Tele­mann­rezeption einen zweifelsohne wichtigen Beitrag – wobei diese Art der Rezeption einerseits die freund­schaftliche Beziehung zwischen Telemann und Quantz unterstreicht, andererseits aber auch Romain Rollands These, dass Telemann der deutschen Musik „Ströme frischer Luft“ zugeführt hat, bestätigt.

 

Kota Sato (Tokyo, Japan)
Telemanns Notenstich und die Chronologie seiner Werke

Eine wichtige Voraussetzung für eine breite Rezeption von Musikwerken stellt auch im 18. Jahrhundert deren Veröffentlichung dar, die Telemann im Wesentlichen in seinem Selbstverlag steuerte und organisierte. Wie Steven Zohn bereits bemerkte, lässt sich ein Wandel im Stil des Notenstiches in Telemanns Drucken beobachten. In dieser Untersuchung wird besonders der Wechsel des Stempels für die Notenköpfe ausführlich analysiert. Die Notenköpfe wandeln sich nach und nach von einer reinen Kugelform zur Ellipse. Der chronologische Wandel des Notenkopfes zeigt deutlich, dass die 12 Fantasien für Traversflöte schon Ende 1731 veröffentlicht wurden. Aus dem schnellen Wechsel der Stempel, der sich zwischen 1730 und 1732 ereignete, kann man ersehen, wie intensiv sich Telemann mit der Frage einer schnellen und möglichst ansprechenden Verbreitung seiner Werke beschäftigte.

 

Prof. Dr. Klaus-Peter Koch (Bergisch Gladbach)
Zur Rezeption von Telemann-Vokalwerken nach 1767 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Fakten, Indizien, Hintergründe

Die 1998 dankenswerterweise auch im Druck erschienene grundlegende Arbeit von Christine Klein zur Telemann-Rezeption von 1767 bis 1907 legt ihren Schwerpunkt auf Schriftzeugnisse über die Bewertung von Telemanns Werk. Für diesen Zeitraum will das Referat nun tatsächliche Aufführungen bzw. Indizien dafür in das Zentrum der Betrachtungen rücken. Deutlich wird darin, dass noch mehrere Jahrzehnte nach Telemanns Tod insbesondere seine Kirchenmusik praktiziert wurde, in Norddeutschland und Danzig ebenso wie besonders in den kleineren Ortschaften Mitteldeutschlands, aber auch in protestantischen Kirchen Dänemarks und Schwedens. Bereits in den 1820er Jahren setzen – damit den infolge veränderter ästhetischer Auffassungen inzwischen entstandenen Unverständnissen und Diffamierungen gegenüber seinem Werk entgegen laufend – in öffentlichen und halböffentlichen Konzerten Neuanfänge von Aufführungen unter historisierendem Aspekt ein, die dann letztlich in die heutige Telemann-Pflege münden.

 

Prof. Dr. Steven Zohn (Philadelphia, USA)
'. . . of His Works, Nothing is Remembered': Toward a Reception History of Telemann in England and the United States, 1740– 1940

For more than a decade, Christine Klein’s Dokumente zur Telemann-Rezeption, 1767 bis 1907 (Oschersle­ben, 1998) has served as a cornerstone for reception histories of Telemann and his music during the century and a half following his death. Yet beyond the important eighteenth-century assessments of John Casper Heck, Charles Burney, and John Hawkins, coverage of English-speaking sources is limited to a few widely-scattered nineteenth-century sources. Indeed, it has been easy to assume a near-total lack of awareness of Telemann and his music among English-speakers during the nineteenth and twentieth centuries. Yet if the quotation in my title, from Daniel Gregory Mason’s The Art of Music: A Comprehensive Library for Music Lovers and Musicians (New York, 1915), confirms a general ignorance, it also participates in a dense matrix of English-language narratives written about the composer from the 1810s onward.

In this paper, I offer the first comprehensive overview of writings on Telemann and his music in England and the United States in the period 1740–1940, drawing on an extensive selection of periodicals, dictionaries, encyclopedias, and histories of music. In addition to revealing the long shadows of Hawkins and Burney on the one hand, and German lexicographical and critical writings on the other, early English-language accounts of the composer gave rise to their own, distinctly native reception traditions. Among the documents I discuss are hitherto overlooked movements included in The Delightful Pocket Companion for the German Flute (London, 1745) and Charles Burney’s latest writing on Telemann, an entry for Abraham Rees’s The Cyclopædia; or, Universal Dictionary of Arts, Sciences, and Literature (London, 1819; repr. Philadelphia, ca. 1823).

 

Dr. Wolf Hobohm (Magdeburg / Weimar)
Georg Philipp Telemann in der Sicht August Gottfried Ritters

August Gottfried Ritter (1811–1885), der Magdeburger Domorganist, war bedeutend als Orgelvirtuose, Komponist, Herausgeber, Orgelbau-Gutachter, Historiker. Mit seinen zahlreichen Einzelstudien und dem Buch Geschichte des Orgelspiels darf man ihn zu den Mitbegründern der Musikwissenschaft zählen. Der Historiker ist heute fast vergessen, einige Orgelkompositionen sind zu neuem Leben erwacht. Ritter liebte und verehrte vor allem die Musik Georg Friedrich Händels. Telemann dagegen streifte er in seinem Buch und als Herausgeber von Unterrichts- und Hausmusik nur am Rande. Im Blick auf den Internationalen August-Gottfried-Ritter-Orgelwettbewerb in Magdeburg ist sein Telemannbild – wohl nicht nur hier – auch heute noch von Interesse.

 

Dr. Christine Klein (Halle/Saale)
Zwischen „konventionellem Phrasenwerk“ und „unerschöpflicher Phantasie“. Telemanns Konzerte im Urteil Arnold Scherings

In seiner grundlegenden Arbeit zur Geschichte des Instrumentalkonzerts bis auf die Gegenwart (Leipzig, 1905) hat sich Arnold Schering erstmals mit der Concerto-Praxis Telemanns am Beispiel des Concerto in F-Dur TWV 51:F4 auseinandergesetzt. Die Publikation dieses Werkes mit ausführlichem Vorwort folgte in den Denkmälern Deutscher Tonkunst (Bd. 29/30, 1907). Darin bezeichnet der Musikforscher die reich instrumentierte, aus sieben Sätzen bestehende Komposition als „Orchestersuite mit einleiten­dem Violinkonzert“ und würdigt Telemann als „eine ungemein wandelbare, vielseitige Natur, [der] den italienischen Stil mit derselben Leichtigkeit wie den französischen [beherrschte]. Mit der Analyse der grundlegenden Einführungstexte Arnold Scherings möchte das Referat nicht nur einen Beitrag zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Instrumentalkonzerts bei Telemann leisten, sondern darüber hinaus dem Paradigmenwechsel in der Musikwissenschaft um 1900 vom normativ zum historisch akzentuierten Denken nachspüren.

*

Dr. Peter Schmitz (Münster)
Planmäßige Auswahl und Nationalangelegenheit?
Bemerkungen zu den Telemann-Editionen im Rahmen der „Denkmäler Deutscher Tonkunst“

Es ist bereits verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass von Max Schneiders edito­rischer Tätigkeit wichtige Impulse für die Telemann-Forschung des 20. Jahrhunderts ausge­gangen sind. Im Jahr 1907 publizierte er die Werke Der Tag des Gerichts TWV 6:8 und Ino TWV 20:41 in den Denkmälern Deutscher Tonkunst (Bd. 28) und plädierte im Vorwort für eine „rechte Würdigung“ eines Komponisten, der doch „zwei Jahrhunderte hindurch von der ganzen gebildeten Welt zu den Ersten seiner Kunst gerechnet wurde“. Als Editoren weiterer Telemann-Ausgaben in jener prominenten Reihe fungierten Arnold Schering (Bd. 29/30, 1907), Wilhelm Krabbe (Bd. 57, 1917) und Max Seiffert (Bd. 61/62 mit Beiheft, 1927). Dem Entstehungsprozess besagter Publikationen soll im Vortrag u.a. anhand erhaltener Druck­vorlagen sowie zahlreicher (noch unveröffentlichter) Briefkorrespondenzen zwischen dem federführenden Verlag Breitkopf & Härtel und den einzelnen Herausgebern nachgegangen werden. Ferner gilt es, die Rolle des Leiters der Musikgeschichtlichen Kommission, Rochus Freiherr von Liliencron, näher zu beleuchten. Darüber hinaus soll die Frage erörtert werden, wie sich die getroffene Werkauswahl zur (nationalen) Denkmalsidee des Gesamtunternehmens verhält.

 

Brit Reipsch (Magdeburg)
„Jubelnd und singend wir schreiten“. Telemanns „Tageszeiten“ im Kontext von sozialdemokratischer Arbeiterbewegung und volkstümlichem Konzert

Die Wiedereingliederung von Telemanns Kantatenzyklus Die Tageszeiten TVWV 20:39 in das Musikrepertoire des 20. Jahrhunderts ist verbunden mit einer Notenausgabe, die 1928 im Verlag des Deutschen Arbeiter-Sängerbundes erschien. Diese Ausgabe gibt das Werk in einer Bearbeitung wieder, die musikalisch auf eine stärkere Chorpräsenz zielt und textlich den christlichen Kontext der Dichtung zu verschleiern sucht. Sie fokussiert Naturverbundenheit und Volkstümlichkeit – Parameter, die für mehrere Jahrzehnte die Rezeption dieser Komposition und zugleich Grundzüge des Telemannbildes beeinflussten.

 

Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale)
Die erste Wiederaufführung von Telemanns Johannespassion 1741/49

Hans Hörner, der mit seiner Dissertation von 1933 die (bis heute gültige) Grundlage für die Erforschung und Wiedererschließung der liturgischen Passionen Telemanns geschaffen hat, führte im März 1932 in Hamburg (Conventgarten) und im März 1934 in Berlin (Singakademie) die Johannespassion von 1741 (deren Musik Telemann auch noch für die Passionsmusik von 1749 verwendet hatte) in öffentlichen Konzerten auf. Das Referat möchte, so weit dies möglich ist, erkunden, welche Vorstellungen für Hörner bei seiner Wiedererschließung, Einrichtung und ersten Wiederaufführung der Passionsmusik leitend gewesen sind - das im 20. Jahrhundert übermächtige ‚Modell Bach‘, so meine These, scheint auch hier einflussreich gewesen zu sein. Die Darstellung möchte aber auch den Bogen in die Gegenwart spannen und diskutieren, welche Rolle Telemanns „Kirchenpassionen“ im heutigen Musikleben spielen können (oder sollten).

 

Ralph-Jürgen Reipsch (Magdeburg)
Magdeburger Telemann-Pflege zwischen 1930 und 1945

Die Wurzeln der Magdeburger Telemann-Renaissance reichen bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück. Weniger durch Institutionen, sondern vor allem durch das Wirken einzelner Musiker, Pädagogen und Musikwissenschaftler wurde ihr der Weg bereitet. Zwei Jahre nach den Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag Telemanns im Jahre 1931 wurde die bis dahin sozialdemokratisch regierte Stadt in den Strudel der „nationalen Revolution“ gerissen, die von „politischen Säuberungen“ auch im schnell „gleichgeschalteten“ Kulturbereich geprägt war. Nationalsozialistische Kulturpolitik stellte deutsche Musikheroen in den Vordergrund, zugleich versuchte sie deren Werk im volkserzieherischen Sinne populär zu machen. Welche Werke Telemanns wurden in dieser Zeit in Magdeburg musiziert, durch wen und in welchem Kontext? Der Frage, ob es gelang, Telemann ähnlich zu vereinnahmen wie die 1935 gefeierten „Heroen“ Bach, Händel und Schütz, soll in diesem Fallbeispiel nachgegangen werden.

 

Dr. Carsten Lange (Magdeburg)
„Der geduldige Socrates“ – eine Telemann-Oper auf dem Weg zum Repertoirestück

Georg Philipp Telemanns Oper Der geduldige Socrates TVWV 21:9 ist unter den vollständig erhaltenen, abendfüllenden Bühnenwerken des Komponisten das am frühesten entstandene Werk. Zugleich gibt es kein anderes mit einer ähnlich hohen Anzahl von Inszenierungen oder konzertanten Aufführungen in unserer Zeit.

In meinem Beitrag will ich einen Überblick geben über die Aufführungen des Socrates seit der mit Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden Telemann-Renaissance. Dabei wird deutlich werden, dass diese Komposition nicht nur Bestandteil der Spielpläne von Opernhäusern und Mehrspartentheatern über Deutschland hinaus ist, sondern regelmäßig auch im Rahmen eines erweiterten Angebotes musikalischer Ausbildungseinrichtungen ihren Platz hat.

Über statistische Angaben im ersten Teil meines Beitrages hinaus möchte ich im zweiten Teil den Versuch unternehmen, einige Ursachen für die beachtliche und vielgestaltige Rezeption der Oper zu benennen. U.a. ist danach zu fragen, welche Rolle Sujet, Werkgestalt (beachtlich ist die Vielzahl und Farbigkeit der Ensembleszenen) und Besetzungsanforderungen dabei spielen könnten. Nicht zu vernachlässigen ist schließlich der Aspekt des Zusammenhangs von Aufführungsfrequenz und Verfügbarkeit eines (quellenkritisch edierten) Aufführungs­materials. Dass hier ein starkes Abhängigkeitsverhältnis besteht, ist gerade anhand der Rezeption des Socrates mustergültig zu belegen.

 

Prof. Hans-Martin Linde (Basel)
Die Capella Coloniensis und Telemanns Orchestersuiten

Im Mai 1954 kam die Cappella Coloniensis des WDR erstmals zu einer Probe zusammen. Das war die Geburtsstunde des ersten kompletten Barockorchesters der Neuzeit. Vorbild war die berühmte Dresdner Hofkapelle.

Originale Streichinstrumente und nachgebaute Blasinstrumente bedeuteten eine ungeahnte Herausforderung. Sie verlangten stetes Experimentieren und zu Beginn auch eine Portion Abenteuerlust. Hinwendung zu historisch bedingtem Musizieren hieß doch: Suche nach sinnvoller Klanggebung, angemessener Artikulation, Phrasierung und Ornamentik u.ä.m. Große Überraschungen bot auch die ungewohnte Besetzungsstärke.

Die CaCo (internes Kürzel für das Ensemble) widmete sich mit besonderer Hingabe den – seinerzeit noch unedierten – Orchestersuiten von Telemann. Hiervon wird dieser Beitrag handeln.

 

Dr. Franc Križnar (Maribor, Slovienien)
Repertoire and Reception of Music by Georg Philipp Telemann in Slovenia

Data regarding the repertoire of G. P. Telemann was collected from audio theca – music archive of Radio Slovenia, from concerts, festivals, opera and ballet all over the entire Slovenian territory. Starting points of this research include Ljubljana as well as both Regional Centres of RTV Slovenia – public institutions in Koper and in Maribor, the concerts all over Slovenia, including festivals and similar performances and the opera and ballet stages in Ljubljana and in Maribor. The audio theca consists of old LP’s, magneto-phonic tapes and modern digital media (DAT-cassettes and CDs) collected in the past 75 years of this media’s history in Slovenia. There is research across all of Slovenian music reproduction (concerts, festivals, stage performances – operas and ballets – and so on) during the last decades and it shows less of Telemann’s work and music being performed in Slovenia than the music of other baroque (high or late) composers like G. F. Händel or J. S. Bach who lived at the same time as Telemann.

 

Sjur Haga Bringeland (Bergen/ Norwegen, Leipzig)
Telemann-Rezeption in Norwegen

Im 18. Jahrhundert gab es noch nicht das Land Norwegen, wie wir es kennen – es war damals noch Teil der Doppelmonarchie Dänemark-Norwegen. Während Telemanns Werk in Dänemark eine gewisse Verbreitung hatte, gibt es dafür in Norwegen nur wenige Anzeichen. Aber in der Hansestadt Bergen, der damals größten Stadt Norwegens, finden wir ein Notenbüchlein mit Spuren Telemannischer Kammermusik.

Bergen ist heute die norwegische Stadt, in der Telemanns Musik am meisten zu hören ist, sowohl im Konzertsaal als auch in den Übungsräumen der Musikhochschule. In den letzten Jahren gibt es hier auch Ansätze zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Telemanns Schaffen. Der Beitrag geht auf verschiedene Aspekte der jüngeren Telemann-Rezeption in einem Land ein, in dessen Nachschlagewerken und Musiklexika Telemann bis in die 1950er Jahre hinein völlig verschwiegen wurde.

 

Dr. Axel Berndt (Magdeburg)
Generative Musik als Werkzeug in der Musikwissenschaft

Zu den klassischen Themengebieten auf dem Gebiet der Musikinformatik zählen die halb- und vollautomatische Komposition, Improvisation und Interpretation von Musik. Die Grundlage dafür bilden modellhafte Wissensrepräsentationen, die aus Analysen und mathematischen Formalisierungen von musikwissenschaftlichem Wissen und Erkenntnissen gebildet werden. Die Ergebnisse, welche unter Anwendung dieser generativen Modelle entstehen, erlauben im Vergleich mit originalen Werken und Interpretationen Rückschlüsse auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Modelle, folglich auch auf Richtigkeit und Vollständigkeit des durch sie repräsentierten Wissens.

Der Vortrag gibt einen kurzen historischen Abriss zur generativen Musik und zeigt die verschiedenen Entwicklungsperspektiven in diesem Gebiet auf. Einer dieser Perspektiven sind wir in einem interdisziplinären Projekt zwischen Arbeitsgruppen der Otto-von-Guericke-Universität (Fakultät für Informatik) und dem Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg nachgegangen. An diesem aktuellen Beispiel wird anschaulich gezeigt, wie solche Modelle entwickelt, evaluiert und im Rahmen von musikwissenschaftlichen und -psycholo­gischen Studien angewendet werden.

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